LIEBE ALS DAS HÖCHSTE IDEAL

Von Hellmut Bölling & Torge Meyer

Sprechen wir über die Liebe…

    …und beginnen von der ethischen Seite her: Wie behandele ich meinen Nächsten? Wie gehe ich mit Feinden um? Was ist mein höchstes Ideal? Warum ist ein Leitsatz wie: „Wer gibt, dem wird gegeben.“ häufig zu lesen? Wie schaffen wir harmonische und liebevolle Beziehungen? Und da bietet es sich doch an, zum Kern dieser Fragen zu kommen, zur Liebe!

Und damit berühren wir das möglicherweise wichtigste Lebensthema. Denn neben den ganzen Philosophien und manch` großartigen klugen Visionen gibt es eine Sache, die wichtiger als alles andere sein könnte, sogar wichtiger als jegliche philosophischen Konzepte. Wir alle haben verschiedene Vorstellungen über Wahrheit, über Leben, auch über Gott bzw. das, was damit gemeint sein könnte. Wahrscheinlich werden wir bei diesen Themen niemals auf einen Nenner kommen. Aber in Sachen Liebe sollten wir eine klare Sprache sprechen. Nichts ist wichtiger und bedeutsamer.

Wonach sollten wir unser Leben also ausrichten? Was ist essenziell? Vermutlich werden manche meine Worte als weichgespült oder sogar romantisch-esoterisch betrachten, aber das sollte uns nicht daran hindern, vor allem nach den Antworten zu suchen, in denen die Liebe eine zentrale Rolle spielt.

Liebe

Wenn wir eine glaubwürdige Weltsicht schaffen wollen, dann sollte Liebe unser höchstes Ideal sein. Nichts sollte über ihr stehen. Wie würde die Welt aussehen, wenn wir uns anstelle von Schönheit und Erfolg für dieses andere Ideal entscheiden? Etwas, was nicht verschwindet. Geld können wir nicht ins nächste Leben mitnehmen, Schönheit vergeht, aber Liebe bleibt, sogar noch nach dem, was man Tod. Auch wenn unsere Körper schon zu Staub geworden sind, so bleiben doch Gedanken und Erinnerungen an uns. Liebe macht uns unsterblich.

Wir sollten uns an die Liebe als höchstes Ideal erinnern, die ja sogar ein Paulus auf Nummer eins gesetzt hat, weil sie das wirksamste Mittel ist, um Hass zu beenden, um Verständnis zu fördern, um Menschen zusammenzubringen und das Fernziel Alles(s) ist/sind eins anzusteuern. Ich bin davon überzeugt, dass wir ohne Liebe nicht leben können, egal, welcher Religion oder Philosophie wir nahestehen. Auch ein Pantheist, der zwar erkannt hat, dass Gott größer ist und dass wir in seinem Spirit überall eine Beseeltheit spüren, dem wird etwas Entscheidendes fehlen, wenn er den Wert der Liebe nicht anerkennt. Was bringt uns eine pantheistische Welt ohne dieses erste Ziel? Was bringt uns eine fortschrittliche Gesellschaft, indem wir nicht unseren Nächsten achten und respektieren? Denn Liebe kann die wahrhaftigste Grundlage für jeglichen Respekt und Achtung gegenüber jedermann sein.

Gerade in der Jugend glauben viele, dass Liebe fast nur ein hormoneller Vorgang ist, an dessen Ende Kinder hervorgebracht werden. Die Bedeutung der Liebe als tiefe Erkenntnis dämmert Vielen erst im  Laufe des Lebens. Eine Erkenntnis, die uns alle Hoffnung schenken kann, die uns Halt und Zuflucht bieten kann.

Aber was fordern wir jetzt letztendlich in der Praxis? Wie soll das gelebt werden? Nette Worte oder Sonntagsreden alleine reichen da nicht als Antwort. Die Liebe, die ich meine, ist aber, ähnlich wie die meisten  Glaubensformen, im Verstand nicht zu (be)greifen. Diese Erkenntnis muss in der Seele ankommen. Und die Liebe muss als Lebensmotiv ganz ins Zentrum, rücken: Daher sagte Augustinus: „Liebe- und dann tue, was du willst!“ Sagen können wir viel, aber leben wir das auch? Niemand sagt, dass es leicht ist, aber dieser Weg ist es wert, dass wir ihn ins Auge fassen und beherzt antreten.

Daher ist es mir wert, doch konkret zu formulieren, wenn auch dies nicht leicht sein kann.

Was ist also Liebe?

Liebe hat als Grundlage, dass wir sie meist schon sehr früh erfahren durften. Sie ist meist mit Dankbarkeit verbunden, denn als Kleinkinder wurde sie uns meist geschenkt, ohne dass wir eine „Vorleistung“ erbringen mussten. Weil wir da waren, wurden wir geliebt, fertig. 

Die beste Antwort, die wir zur Frage der Moral finden können, ist wohl Liebe. Johann Wolfgang von Goethe drückt es in der ihm eigenen Hohen Poesie so aus: „Wenn dir's im Kopf und Herzen schwirrt, / was willst du Bessres haben! / Wer nicht mehr liebt und nicht mehr irrt, / der lasse sich begraben.“ Natürlich hat der große Meister vor allem die persönliche Liebe zu einem Menschen im Blick, ist sie doch die schönste Konkretisierung dieses Lebensaspektes! (Da viele die große Liebe nicht längerfristig –oder garnicht- kennenlernen, zeigt sich eben, wieviel Weg die Menschheit zu diesem hohen Ziel noch zu beschreiten hat.) Und weiter heißt es bei Goethe: „Denn das Leben ist die Liebe / und des Lebens Leben Geist. ... Welch` Glück, geliebt zu werden, / und lieben, Götter, welch ein Glück!“ Der Dichter tippt hier nun deutlich die Agape, die Menschenliebe im höheren, vom Ego losgelösten Sinne an. Aber er kehrt mahnend  zur konkreten Form zurück. „Lieben ist menschlich, nur müsst Ihr menschlich lieben!“ An dieser Stelle fühle ich mich erinnert an das große Werk von Erich Fromm, der in der Kunst des Liebens verdeutlicht, dass Lieben eine Kunst ist, der möglicherweise wichtigste Lernschritt in der von uns allen angestrebten Lebenskunst.

Ganz nebenbei eine sprachliche Feinheit: Während das Englische mit love und life durchaus eine gewisse Wortähnlichkeit aufweist, klingen die Wörter in romanischen Sprachen, z.B. mit vita und amor sehr unterschiedlich. Das (ehemalige) Land der Dichter setzt mit dem einen eingeschobenen i den geringsten Unterschied zwischen Leben und Liebe. Und man möchte verspielt anfügen: Das Pünktchen auf dem i des Lebens-Elements Liebe möge als die erwähnte reife Form angedeutet sein, die Erich Fromm als Psychoanalytiker herausstellte.

Nichts geht tiefer, nichts ist reiner, nichts ist gewaltiger, kein Gefühl ist größer. Liebe wächst, wenn du sie verschenkst! („Wer gibt, dem wird gegeben“/ Bibel und Goldene Regel.)

Ich bin überzeugt davon, dass, wenn wir die Liebe ans Steuer lassen, wir so nichts falsch machen können. Ich möchte nochmal auf Augustinus zurückkommen: Auch in konservativeren christlichen Kreisen ringt man um diese Abwägung: Ist das (manchmal stur klingende)  Gebot zu befolgen oder ist Augustinus` Leitsatz des innersten Motivs vorrangig? Ich tendiere im Geiste meiner Ansprache zu Augustinus:  Wenn die Liebe das Motiv der Entscheidung wird, kann diese im Grundsatz nur fruchtbringende Folgen haben. Diese mögen natürlich manchmal nicht sofort erkennbar sein: Die Mühlen des Göttlichen mahlen sicher manchmal langsam. Immer wieder sollten wir den Mut haben, auch die höchste Ebene dieser Wahrheit(en) zuende zu denken. Willigis Jaeger steht im Ruf, hier einen engen Draht entwickelt zu haben. Ans Zeitlose rührt er mit seinem Satz:“ Es gibt im Kern nur das zeitlose Jetzt. Wer dort ankommt, erfährt nichts als Liebe.

Uns sollte dieses in allen Facetten bewusst sein. Auch wenn dies vielleicht dies schon oft andernorts und zu allen Zeiten  gesagt wurde, doch in der harten, oft vom kopfigen Leistungsdenken bestimmtem Alltag entschieden sich viele wieder für etwas anderes, bzw. es fehlte ihnen die Kraft (oder die Liebe?), dies durchzuhalten? Angst mischte sich ein, die uns manchmal zu packen vermag. „Angst“ aber kommt von „Enge“, während die Liebe uns in die Sphäre der Weite führt.  Doch, wenn wir uns einmal dahin „durchlieben“ und eines Tages wirklich erkennen würden, wie viel größer die Kraft der Liebe sein kann, so würden wir der Angst keinen Einfluss mehr gewähren.



Autoren:

Hellmut Bölling & Torge Meyer